Arch Linux, so sagt man, ist eine Linux-Distribution nur für echte Nerds. So schwierig zu bedienen, dass nur echte Computer-Freaks ohne Freunde und Tageslichtkontakt damit klar kommen. Doch ist es wirklich so? Ist Arch nur was für die wahren Keyboard-Cowboys unter den Computer-Benutzern? Heute erzähle ich euch, was an diesen Gerüchten dran ist und warum ich ein großer Fan von Arch-Linux geworden bin.
Vor einigen Jahren, als ich damit anfing mich für Linux zu interessieren, war die Bandbreite an Distributionen noch nicht ganz so groß wie heute. Damals war Knoppix gerade DER Renner. Ein Linux, das sich von einer CD starten und benutzen lässt, ohne es auf die Festplatte installieren zu müssen? Wow, das grenzte schon fast an Magie! Damals war ich noch ein Teenager und Age of Empires 2 war der größte Hit. Mein Vater war davon begeistert und wollte es immer und immer wieder ausprobieren und zum echten Knoppixer werden. Lang gehalten hats allerdings bei ihm nicht, dennoch: Die Begeisterung über Live-Distros und Linux ging nie verloren.
Ich lernte zu dieser Zeit und auch ein wenig später die Distributionen Debian und Ubuntu kennen. Ich hatte mir beides auch angeguckt, war neugierig und wollte abseits von Win98 mal etwas anderes sehen. Aber ich kam schnell wieder davon weg, denn damals konnte ich einfach nichts damit anfangen. Zuviel Commandline und kaum Spiele vorhanden. Meine damaligen Lieblingsspiele waren (und sind noch heute) fast ausschließlich auf Windows-Betriebssystemen spielbar.
Aber irgendwann begann ich mit der halbwegs professionellen Software-Entwicklung. Programme, die nicht nur ausschließlich auf Windows laufen sollten und auch nicht nur für einen kurzen Moment, wenn man die Software gerade benötigt. Ich fing an, Server-Applikationen zu entwickeln, teilweise auch mit Datenbankanbindung. Hier musste also nun eine Lösung her, wie ich ein Programm möglichst kostengünstig im 24/7 Betrieb laufen lassen kann. Und so kam ich dazu, mit verschiedenen Linux-Distros herum zu experimentieren. In virtuellen Maschinen aber auch auf Rasperry PIs sammelte ich die ersten Erfahrungen, wie man „richtig“ mit Linux umgeht.
Natürlich habe ich auch viel gegoogelt. „Hacker Linux“, „Dev Linux“, „Linux for pro users“ etc waren wohl meine häufigsten Suchbegriffe. Und eine Distro stach immer und immer wieder hervor: Arch Linux. Überall war zu lesen, dass dieses OS mega komplex und sehr schwierig sei und meine Neugier wurde immer größer. Ich hatte schon immer ein schwerwiegendes Problem damit, dass mich die größten Herausforderungen anziehen, um dann am Ende etwas gemeistert zu haben, dass nicht unbedingt jeder meistern kann. Würde mich das zu einem echte Ausnahmenerd machen, wenn ich Arch Linux „besiege“? Sicher nicht, das haben ja tausende andere vor mir auch schon getan, dennoch reizte es mich Arch Linux auszuprobieren.
Alles klar, ISO heruntergeladen, in eine VM gepackt und gebootet. Moment mal, wo sind denn die hübschen bunten Fenster und Bilder? Keine Buttons oder Auswahlmenüs? Ich wurde begrüßt von einem grauen Text auf schwarzen Hintergrund. Und das wars auch erstmal. Ich hatte keine Ahnung was zu tun war. Typische befehle wie „apt-get install xyz“ gingen nicht und ich war nach ca. 1 Minute schon dabei, das Handtuch zu werfen. Also doch erst mal zurück zu Ubuntu? Da konnte man wenigsten mit der Maus hin und her klicken, das ganze OS war greifbarer für einen Anwender, der bisher nur Windows so richtig kannte.
Nach einer Weile Ubuntu verlor ich fürs erste das Interesse an Linux und kehrte zu Windows zurück um meine Spiele zu spielen, in C# zu programmieren oder was-auch-immer zu tun. Irgendwann kam ich aber wieder auf den Gedanken zurück, dass ich ja noch immer einen Server bräuchte, auf den ich eine Datenbankanwendung wie MySQL oder MariaDB hosten kann. Ich beschloss mich dem Projekt erneut zu widmen und diesmal wollte ich es wissen: Arch Linux sollte es sein! Ich habe mich ganz bewusst für Arch Linux entschieden, weil ich die Herausforderung endlich meistern wollte! Ich wollte es schaffen dieses OS händisch über die Console zu installieren, um den Lerneffekt mitnehmen zu können. Des weiteren hat die Linux-Distro gerade mal ein paar wenige hundert MB an Größe und ist somit unglaublich schlank, was auch damit einhergeht, dass Arch von Haus aus einfach keine Software mitbringt. Alles was man benötigt, muss man selbst nachinstallieren, manchmal findet man bestimmte Software nicht mal im Arch Repository, dann muss man noch weiter suchen, wie man auf anderem Wege ans Ziel kommt.
Also los gehts, VM einrichten, aktuellste Version von Arch als ISO herunterladen, die Installations-Doku von Arch herziehen und ab dafür! Ich habe ein bisschen herumprobiert, ein paar mal von vorne gestartet, andere Dokus und Anleitungen gesucht und gelesen und irgendwann hats geklappt. Arch war auf meiner VM fest installiert, beinahe ohne irgendwelche Software, gerade mal Nano war noch mit drauf. Ich hatte auch daran gedacht Vim zu benutzen, hatte aber etwas Panik davor, den berüchtigtsten aller Texteditoren nicht mehr beenden zu können. Und ganz ehrlich: So schwer ist es eigentlich gar nicht. Die Installations-Schritte sind alle gut dokumentiert, es gibt gefühlt eine Million Quellen, bei denen man Infos nachlesen kann und YouTube-Videos die die Installation Schritt-für-Schritt erklären usw. Man muss sich nur einmal richtig damit auseinandersetzen, dann ist die Einrichtung überhaupt kein Problem. Es ging dann weiter mit dem lesen und rumprobieren um die Netzwerkkonfiguration noch ordentlich zu konfigurieren, MariaDB zu installieren und einzurichten, doch am Ende war dann alles fertig und ich hatte es geschafft: Mein eigenes Arch-Linux-System mit MariaDB als Datenbanksoftware, bereit um als Datengrab für meine selbst geschriebene Software zu enden. Komplett ohne irgendeine Art von grafischer Benutzeroberfläche, keine anderen Tools, die ich nicht benötige. Einfach nur ein nacktes Arch OS mit MariaDB. Schlank, schnell und stabil läuft die VM jetzt schon seit über einem Jahr.
Dabei sollte es dann übrigens nicht bleiben. Ich habe mir mittlerweile eine zweite Arch-VM auf meinem Windows-Rechner in Hyper-V eingerichtet. Das ist jetzt schon seit einiger Zeit meine neue Desktop-Umgebung. Ich hatte mich für Xfce als Desktop Environment entschieden, da ich das schon aus Kali-Linux kannte (Kali-Linux hatte ich zuvor schon – aber nach dem DB-Server – kennengelernt, weil ich mich in die Offensive Cyber Security-Szene einlesen und einlernen wollte) und gelesen hab, das es gegenüber den anderen DEs relativ leichtgewichtig sein soll. Über Arch mach ich nun meine alltäglichen Dinge im Internet, wie z.B. diesen Blog-Eintrag hier schreiben, Discord, Reddit, usw. Zusätzlich habe ich Arch so eingerichtet, dass es immer über eine NordVPN-Verbindung im Internet ist.
Einzig Multimedia-Anwendungen wie YouTube, Spotify etc. kann ich noch nicht über Arch laufen lassen, da ich es bisher noch nicht geschafft habe eine Soundwiedergabe über RDP zu erhalten.
Meinen Windows-Host-Rechner nutze ich zur Zeit eigentlich nur noch fürs Gaming, Office-Anwendungen und Software-Entwicklung.
Fazit: Arch Linux kann für einen Linux-Beginner sehr abschreckend sein. Vor allem ganz am Anfang, wenn man weder Mauscursor noch bunte Bildchen vor sich hat. Aber wenn man sich mit Arch ein wenig auseinander setzt und sich nicht selbst zu schade ist die Dokumentationen zu lesen, wird man am Ende mit einem stabilen, schnellen und zuverlässigen Betriebssystem belohnt. Arch bringt von Haus aus nur grundlegende Software mit, die für die Ausführung des OS wichtig sind, alles andere muss/kann/darf sich der Benutzer selbst zusammen schustern. Das stellt für den verwöhnten Ubuntu-, Mint- und Windows-User eine Herausforderung dar, hat aber den Vorteil, dass wirklich nur das installiert ist, das man selbst tatsächlich braucht. Mit den entsprechenden Desktop Environments und verschiedenen Themes wird Arch auch etwas fürs Auge. Ab der Grundinstallation lässt sich Arch genauso bedienen, wie jedes andere Linux auch, man muss nur im Hinterkopf behalten, das Arch bspw. einen anderen Packagemanager verwendet (pacman statt apt).
Man muss aber auch ganz klar sagen, dass für den Vollblutzocker, Gelegenheits-Windows-User oder Technik-Desinteressierten Arch Linux die falsche Wahl ist. Allgemein sind Linux-Distros für diese Anwendertypen eher nicht geeignet, da man einfach zu viel herumbasteln muss. Nicht um sonst hat Microsoft Windows im End-User-Segment mit ca. 90% die absolute Marktmacht